I.
Bericht des Ausschusses des Turnlehrerseminars.
St. Louis, Mo., den 18. Juni 1890.
An die 14. Tagsatzung des Nordamerikanischen Turnerbundes!
Gut Heil! Vom Vorort des Nordamerikanischen Turnerbundes beaufragt, unterbreitet sein Ausschuβ der Tagsatzung folgenden Bericht:
Da durch Beschluβ der letzten Bundestagsatzung in Chicago der Bundesvorort beaufragt wurde, mit dem Nationalen deutsch=amerikanischen Lehrerseminar in Unterhaltung zu treten, um auf geeigneter Grundlage eine Annäherung desselben mit unserm Turnlehrerseminar anzubahnen, wurde es nothwendig, einen speciellen Ausschuβ mit dieser Angelegenheit zu betrauen.
Ferner wurde es dem Bundesvorort durch Beschluβ der Tagsatzung anheimgestellt, einen neuen Cursus des Turnlehrerseminars zu veranstalten, wenn die Nachfrage nach Turnlehrern einen solchen als nothwendig erachten lieβ.
Da der Turnverein “Milwaukee” in der letzten Bundestagsatzung bestimmt erklärte, die fernere Leitung des Turnlehrerseminars nicht übernehmen zu wollen, war der Ausschuβ für Turnlehrerseminar des Bundesvororts genöthigt, sich anderswo umzusehen.
Der Ausschuβ, nach reichlicher Erwägung der Sachlage, setzte sich mit folgenden Turnern in Verbindung, um ein günstiges Heim für das verwaiste Seminar zu finden: C. Hermann Boppe, Redakteur der “Amerikanischen Turnzeitung”; Wm. Fleck, Turnlehrer, Indianapolis; Karl Kroh, Turnlehrer, Cincinnati; Carl Zapp, Turnlehrer, Cleveland; Heinrich Suder, Turnlehrer, Chicago.
Nach Prüfung der eingeschickten Offerten von Cincinnati, Indianapolis und Milwaukee fand sich der Ausschuβ veranlaβt, für Indianapolis als zukünfigen Seminarort zu entscheiden und wurde diese Entscheidung vom Bundesvorort einstimmig bestätigt.
Ein neuer Cursus des Turnlehrerseminars wurde demnach mit dem 1. Juli 1889 in Indianapolis eröffnet, und die Schluβprüfung desselben gab dem Turnerbund 17 Turnlehrer und eine Turnlehrerin.
Es ist der vollen HIngebung des Directoriums und des Lehrerpersonals, im Verein mit dem sympathischen Zusammenwirken des “Socialen Turnvereins” zu Indianapolis zu verdanken, daβ dieser Cursus so schöne Resultate geliefert hat.
Ueber die Unterhandlungen mit der Behörde des Nationalen deutsch=amerikanischen Lehrerseminars ist Folgendes zu berichten:
Nachdem längere schrifliche Verhandlungen mit der Seminarbehörde gepflogen worden waren, lud der Vorort dieselbe zu einem Besuche in St. Louis ein, und die Herrn C. Hermann Boppe, Schrifführer des Vorstandes, sowie E. Dapprich, Director des Seminars, entsprachen auf’s Bereitwilligste dieser Einladung. Das Resultat der sehr eingehenden Verhandlungen gipfelte in der Vereinbarung folgender Vorschläge, welche hiermit der Tagsatzung zur Begutachtung vorgelegt werden.
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1. Heimath des Turnlehrerseminars.
a) Das Turnlehrerseminar wird permanent nach Milwaukee verlegt.
b) Das Schullehrerseminar stellt zur Errichtung einer nationalen Turnhalle das nöthige Grundstück frei zur Verfügung. Der Werth desselben wird abgeschätzt und kann im Falle einer Trennung beider Seminare vom Turnerbund zu diesem abgeschätzten Werthe erstanden werden.
c) Der Turnerbund erbaut eine Turnhalle, welche Raum und Einrichtung zur Führung des Turnunterrichts beider Seminare, sowie der Musterschule des Lehrerseminars enthalten muβ.
d) Um die Mittel zu diesem Bau aufzubringen, legt der Turnberbund sich eine freiwillige Steuer von $1.00 pro Mitglied auf.
e) Die Instandhaltung und Beaufsichtigung dieser Halle ist Sache des Turnerbundes.
2. Unterricht.
a) Den wissenschaflichen und pädagogischen Unterricht erhalten unsere Zöglinge mit denen des Lehrerseminars gemeinschaflich, und zwar je nach ihrer geistigen Befähigung in der 1., 2. oder 3. Klasse.
Auch der Turnunterricht, soweit das Turnen für Schulen in Betracht kommt, wird von den Zöglingen beider Seminare gemeinschaflich genossen.
b) Das Geräthturnen wird getrennt geübt, da der Stoff von den Zöglingen des Lehrerseminars erst in drei Jahren zu bewältigen ist.
c) Die turnerische Erziehung aller Candidaten steht unter der Aufsicht einer vom Turnerbund eingesetzten Behörde.
d) Alle Zöglinge beider Seminare haben dieselbe turnerische Schluβprüfung zu bestehen.
Das Bestehen der Prüfung als Turnlehrer wird für die Zöglinge des Lehrerseminars obligatorisch gemacht.
3. Lehrkräfe.
a) Der Turnerbund stellt permanent einen Turnlehrer an, der in beiden Seminaren und der Musterschule die körperliche Erziehung zu leiten hat.
b) Sowie dieser Turnlehrer mit Pflichten überhäuf wird, stellt der Turnerbund ihm einen Gehülfen.
c) Alle übrigen Lehrkräfe werden vom Lehrerseminar gestellt.
Dieses ist in kurzen Zügen die Vereinbarung zwischen den Vertrer des Deutsch=Amerikanischen Lehrerseminars und dem Bundesvorort.
Es sind jetzt die schönsten Aussichten vorhanden, daβ ein Zusammenwirken beider Seminare angebahnt werden kann.
Wenn jetzt der Turnerbund sich aufrafft, um durch eine einmalige, selbst auferlegte, freiwillige Steuer von ungefähr $1.00 per Mitglied sich ein Capital von $30,000 zum Bau einer Turnhalle anschafft, dann ist die Zukunf des Turnlehrerseminars gesichert.
Diesem Bericht sind der Schluβbericht des Seminardirectoriums und der Bericht des Beobachtungsausschusses der letzten Seminarprüfung beigefügt.
Der Ausschuβ des Turnlehrerseminars:
J. Rudolf Bollinger, Vorsitzer.
William Drechsler, prot. Schrifwart.
John Tönsfeldt,
Albert Häseler,Beisitzer.
Jacob von Gerichten,
-64- II.
Schluβbericht über den ersten Cursus des Turnlehrerseminars.
(Abgehalten in Indianapolis, vom 1. Juli 1889 bis 26. April 1890.) An den Vorort des Nordamerikanischen Turnerbundes!
Gut Heil! Der “Sociale Turnverein” von Indianapolis, der in Uebereinstimmung mit den Verhandlungen der letzten Bundestagsatzung in Chicago ein Zusammenwirken des Turnlehrerseminars mit dem deutsch=amerikanischen Lehrerseminar befürwortet, betheiligte sich seiner Zeit an einer Bewerbung um das Turnlehrerseminar, weil die ursprüngliche Ablehnung des Turnvereins “Milwaukee” eine solche nöthig machte.-
Wir sind im Besitze einer Musterturnhalle und der für ein Seminar nöthigen Schulräume, unsere Turnschule, zahlreich in jeder Altersklasse, war und ist heute in blühendem Zustande und da wir von unserem Turnlehrer, W. Fleck, voraussetzen konnten, daβ er sich als technischer Leiter des Seminars bewähren würde, glaubten wir eine befriedigende Lösung unserer Aufgabe in Aussicht stellen zu können. Auch fehlt es uns nicht an fähigen Kräfen für die wissenschaflichen Fächer und was uns an Erfahrung in der Leitung einer solchen Anstalt abging, hoffen wir durch unseren ernsten guten Willen zu ersetzen.
Trotzdem die bereitwilligst übernommene Arbeit den Mitgliedern des Directoriums sowohl, als auch den Lehrern vollständig neu war, so arbeiteten sich dieselben doch rasch ein und wirkten harmonisch zusammen, dadurch ein gutes Resultat sichernd.
Anfänglich machte sich unter den Zöglingen eine etwas zweiflerische Stimmung bemerklich, die wohl durch die Verlegung des Seminars hervorgerufen worden war, jedoch nach kurzer Zeit verschwand dieselbe vollständig und machte dem schönen Gefühle gegenseitigen Vertrauens Platz.
Hierbei möchten wir erwähnen, daβ es uns nöthig erscheint, die Stellung des Lehrers in den Turnfächern in dem Reglement klar und deutlich zu definiren; derselbe ertheilt nicht nur 75 Procent der gesammten Unterrichtsstunden, sondern ist naturgemäβ auβerhalb dieser Zeit der stete Rathgeber, Freund und Begleiter der Zöglinge. Entsprechend den groβen Anforderungen, die an ihn gestellt werden, sollten ihm auch im Reglement Rechte eingeräumt werden, die seiner Wirksamkeit noch mehr Nachdruck zu geben vermöchten.
Betreffs der Eintheilung der Unterrichtsfächer im Reglement in Haupt= und Nebenfächer empfehlen wir, den Unterricht in deutscher und englisher Sprache zu einem Hauptfach zu erheben, um dessen Wichtigkeit, die ihn unbedingt gebührt, auch darin zu erkennen zu geben.
Sehr zu bedauern war es, daβ Fechtlehrer Heintz, nachdem er kaum drei Wochen Unterricht ertheilt hatte, nach der Naval Academy zurückberufen wurde; da sich für Lehrer Heintz kein passender Ersatz fand, so blieb nichts Anderes übrig, als daβ sich Zöglinge gegenseitig selbst weiterbilden muβten, freilich ist dadurch deren Fertigkeit im Fechten nur eine unvollkommene, da das Seminar auch für die Zukunf auf die so vortrefflichen Dienste von Fechtlehrer Heintz leider verzichten muβ, so müssen alsbald Vorkehrungen getroffen werden, eine neue Lehrkraf für dieses Fach zu gewinnen. Wenn irgend möglich, sollte während der ganzen Dauer des Cursus Fechtunterricht ertheilt werden, da die Anforderungen an die körperlichen Kräfe der Zöglinge zu groβe sind,
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wenn der Fechtunterricht, wie bisher, zu einer Zeit durchgenommen wird, in der dieselben durch die heiβe Jahreszeit und den Schwimmunterricht ohnehin schon sehr angestrengt werden.
Der erste Cursus in Indianapolis gehört nun der Vergangenheit an, 17 Diplomas (darunter eines zweiter Klasse) wurden an Turnlehrer und eines an eine Turnlehrerin ausgetheilt.
Es fehlt uns jeder Maβstab um einen Vergleich des Resultates dieses Cursus mit dem der früheren Curse anzustellen; wir überlassen dies dem Prüfungsausschuβ, der darüber zu urtheilen im Stande ist und der auch auf Mängel und etwaige Fehler aufmerksam machen wird.
Von der Veröffentlichung einer Rangordnung haben wir Abstand genommen. Wir nehmen an, daβ die Leistungsfähigkeit eines neuen Turnlherers davon abhängt, wie ein solcher das Gelernte in seiner Selbstständigkeit zu verwerthen weiβ, und darüber kann, wie es uns scheint, am Ende eines Cursus kaum gerecht geurtheilt werden. Hingegen erhielten die Abiturienten ein Zeugniβ, das über den Werth ihrer Leistungen Auskunf gibt.
Wir gestehen zu, daβ man über obigen Punkt streiten kann, es sollte deβhalb ein bestimmter Modus über die Vertheilung der Diplome festgestellt werden.
Einzelne Mängel, die dem Directorium, wie auch dem Lehrerpersonal während des Cursus in verschiedenen Lehrfächern bemerkbar wurden, werden im nächsten Cursus verbessert oder vermieden werden.
Im Allgemeinen ist jedoch das Directorium mit den erzielten Resultaten sehr zufrieden.
Mit Freuden constatiren wir, daβ Alle, die mit dem Turnlehrerseminar direkt oder indirekt in Verbindung standen, jederzeit das Ihrige zu einem guten Gelingen der hohen Ziele dieser Anstalt beigetragen haben.
Nachstehend das Programm für die Schluβprüfung:
Donnerstag, den 24. April 1890.
8 ½ Uhr Vormittags: Eröffnung der Prüfung durch den Vorsitzenden des Seminardirectoriums, H. Lieber.
8 ¾ - 9 ½ Uhr: Turnlehre und Methodik des Turnunterrichts. Lehrer W. Fleck.
9 ½ - 12 Uhr: Das Turnen der unteren Stufe der Knaben. Lehrer W. Fleck.
Ordnungsübungen: Das Ziehen der groβen Reihe. Das Drehen der Einzelnen der Reihe während des Gehens. Wechsel des Gehens und Laufens. Bildung des Reihenkörpers. Oeffnen und Schlieβen der Reihen.
Freiübungen im Stehen: Drehungen, Arm=, Bein= und Rumpfübungen. Einfache Verbindungen.
Uebungen an den Geräthen: Springel, Kletterstangen, Reck.
Spiele: “Schwarzer Mann, “Der Plumpsack geht herum”.
2 – 4 Uhr Nachmittags: Das Turnen der unteren und mittleren Stufe der Mädchen. Lehrer W. Fleck.
Sang= und Hüpfarten: Ordnungsübungen in Verbindung mit Freiübungen.
Uebungen an den Geräthen: Schwingseil, wagerechte Leiter, Rundlauf.
Spiele: “Geier und Henne”; “Katze und Maus”.
4 ½ - 5 ½ Uhr: Unterrichtsprobe mit der I. und II. Mädchenklasse des Socialen Turnvereins. Lehrer W. Fleck.
-66- 7 – 8 Uhr: Gesang. Lehrer A. Ernestinoff.
8 ¼ - 9 ½ Uhr: Unterrichtsprobe mit der Männerklasse des Socialen Turnvereins. Lehrer W. Fleck.
Freitag, den 25. April 1890.
8 ½ - 9 ½ Uhr: Culturgeschichte. Lehrer C. Pingpank.
9 ½ - 12 Uhr: Das Turnen der mittleren Stufe der Knaben. Lehrer W. Fleck.
Ordnungsübungen: Drehungen im Gehen und Laufen; Reihungen in Viererreihen;
Schwenkungen der Vierreihen; Oeffnen und Schlieβen der Reihen.
Freiübungen: Zusammengesetzte Uebungen, Uebungswechsel, Uebungsreihen und Uebungsfolgen.
Uebungen an den Geräthen: Schräge Leiter, Barren, Bock.
Spiele: Hinkkampf, Wettlaufen um den Kreis.
2 – 4 Uhr: Das Turnen der oberen Stufe der Knaben. Lehrer W. Fleck.
Ordnungsübungen: Wechsel von Gehen und Laufen nach einer Drehung; das Ziehen der Vierreihen; das Reihen mit Umzug und Ausweichen; Schwenkungen mit Rückwärtsgehen;
Oeffnen der Reihen zur Staffelstellung; Bilden des zwei= und dreigliedrigen Zuges; Oeffnen und Schlieβen der Reihen und Rotten des Zuges.
Uebungen mit Handgeräthen: Hantel= und Stabübungen.
Verbindung von Ordnungs= und Hanteln=, Stab= und Freiübungen.
Uebungen an den Geräthen: Reck, Pferd (quergestellt), Sturmbrett.
Spiele: “Fuchs aus dem Loch”; Rollball.
4 ½ - 5 ½ Uhr: Unterrichtsprobe mit der I. und II. Knabenklasse des Socialen Turnvereins.
Lehrer W. Fleck.
7 – 8 Uhr: Deutsche Sprache. Lehrer C. E. Emmerich.
8 ¼ - 9 ½ Uhr: Unterrichtsprobe mit der III. Knabenklasse des Socialen Turnvereins.
Lehrer W. Fleck.
Samstag, den 26. April 1890.
8 ½ - 9 ½ Uhr Vormittags: Englische Sprache. Lehrer C. E. Emmerich.
9 ½ - 12 Uhr: Das Turnen der Erwachsenen. Lehrer W. Fleck.
Ordnungsübungen: Verbindung von Reihungen mit Schwenkungen und Drehungen.
Widergleiche Reihungen und Schwenkungen, Reihungen und Schwenkungen der Reihen und der Reihenkörper in Reihenkörpergefüge.
Uebungen mit Handgeräthen: Hantel=, Stab= und Keulenübungen.
Uebungen an den Geräthen: Ringe, Pferd (langgestellt), Barren.
Spiele: “Den Dritten abschlagen”; Reiterball.
2 -3 Uhr Nachmittags: Ordnungs=, Frei=, Hantel= und Stabübungen, in englischer Sprache befohlen. Lehrer Georg Vonnegut.
3 – 4 Uhr: Fechten und Stockschlagen.
4 ½ - 5 ½ Uhr: Turngeschichte. Lehrer W. Fleck.
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7 – 8 Uhr Abends: Erziehungslehre. Lehrer C. E. Emmerich.
8 – 9 ½ Uhr: Anatomie, Physiologie, Heilkunde und Heilgymnastik. Lehrer Dr. H. Pink.
Sonntag, den 27. April 1890.
9 – 10 Uhr Vormittags: Schrifliche Prüfung durch den Vorortsausschuβ.
10 – 11 Uhr: Zusammenkunf des Vorortsausschusses, des Lehrerpersonals und des Directoriums zur Berathung über die Ertheilung von Diplomen und Zeugnissen.
8 Uhr Abends: Ueberreichung der Diplome. Darnach Commers.
Für das Directorium:
H. Lieber, Vors.
Theo. Stempfel, Secr.
Clemens Vonnegut, 2. Vors.
* * *
Kassenbericht.
Einnahmen.
Mai 30. Von den Damenvereinen des “Indiana Turnbez.” $25.00
Juli 17. Vom Bundesvorort 1,225.00
December 2. “ “ 500.00
Januar 27 “ “ 775.00
März 29. “ “ 500.00 $3,025.00
Ausgaben:
1. Regelmäβige Ausgaben.
Turnlehrer W. Fleck $400.00
C. E. Emmerich 200.00
Dr. Pink 150.00
C. Pingpank 75.00
Geo. Vonnegut 100.00
Geo. Heintz 120.00
O. Schissel 75.00
A. Ernestinoff 75.00
Neuanschaffungen für Bibliothek 47.16
Neuanschaffungen für Geräthe 15.25
Socialer Turnverein, Miethe 125.00 Verschiedenes: Expreβ= und Portoauslagen, Schreibhefe, ie. ie. 173.90
$1,556.31 2. Stipendienfond.
Für Kost und Logis $2,381.35
Von den Seminaristen in die Kasse bezahlt 941.50 1,439.85 2,996.16
An Hand $28.84
Abzüglich eine Note von 22.00
Bleibt $6.84
in Händen der Seminarbehörde.
Für das Directorium:
Alex. Metzger,
Schatzmeister.
-68- III.
Bericht des Beobachtungsausschusses für die vom 24. bis 27. April 1890 abgehaltene Schluβprüfung im Turnlehrerseminar zu Indianapolis.
An den Vorort des Nordamerikanischen Turnerbundes!
Gut Heil! Ihr für die vom 24. bis 27. April in Indianapolis abgehaltene Seminarprüfung ernannter Beobachtungsausschuβ erlaubt sich, Ihnen folgenden Bericht zu unterbreiten:
Nachdem im Jahre 1875 das Turnlehrerseminar von New York nach Milwaukee verlegt worden, hatte es sich aus kleinen Anfängen zu einer Anstalt entwickelt, auf die der Turnnerbund mit Recht stolz sein durfe. Fast jährlich lieferte sie ihm eine stattliche Reihe von tüchtigen, nach jeder Richtung hin befähigten Turnlehrern, und man glaubte kaum, daβ ein Verein gefunden werden könnte, unter dessen Leitung das Seminar so erfolgreich sein werde, wie unter der des Turnvereins “Milwaukee”. Mit Spannung sah man deshalb der Schluβprüfung des ersten in Indianapolis abgehaltenen Cursus entgegen. Obgleich man von der Opferwilligkeit und Pflichttreue der Mitglieder des Directoriums überzeugt war, und die Namen der an der Anstalt wirkenden Pädagogen für gewissenhafe und erfolgreiche Arbeit bürgten, so fehlte doch die Erfahrung gänzlich, und man glaubte deshalb, sich vom ersten Cursus in Indianapolis nicht viel
versprechen zu dürfen. Mit Vergnügen berichtet ihr Ausschuβ jedoch, daβ er sich nicht allein auf das Angenehmste enttäuscht, sondern durch die in einigen Fächern erzielten Resultate überrascht sah. Einige Mängel abgerechnet, deren später Erwähnung geschehen soll, wurde während des Cursus Vorzügliches geleistet, und darf sich derselbe den besten in Milwaukee abgehalten zur Seite stellen.
Der 15. Cursus des Turnlehrerseminars, der erste in Indianapolis, war am 1. Juli 1889 eröffnet worden und schloβ am 27. April 1890, umfaβte also, wie die beiden vorhergehenden, einen Zeitraum von 10 Monaten.
Die Aufnahmeprüfung bestanden 19 Candidaten, von denen Einer (Ruf) jedoch schon kurz nach Eröffnung des Cursus wieder austrat. Die Namen der Seminaristen sind: Hans Ballin;
Hermann Boos; C. A. Cobelli; August Conrad; Adam Döhla; Joseph Funk; Ernst Heers; Friedr.
Krimmel; Richard Meller; Robert Nohr; Adolph Oppenheimer; David Osterheld; Emil Rahm;
Ferdinand Rhein; Berthold Seifert; Ernst Viehweg; Max Wolter; Frl. Frances Müller.
Von den 18 am Cursus Theilnehmenden erhielten 17 ein Diplom erster und einer, Herr F.
Rhein, ein solches zweiter Klasse.
Zum ersten Male seit einer Reihe von Jahren betheiligte sich wieder eine Dame am Cursus. Frl. Müller zeichnete sich durch Fleiβ und ernstes Streben aus, und wird, in welcher Stelung sie auch wirken mag, dem Seminar Ehren machen.
Wie in allen früheren Cursen machte sich auch diesmal wieder der Uebelstand einer höchst ungleichen Vorbildung fühlbar. In Folge dessen fanden es mehrere Seminaristen äuβerst schwierig, mit Denen, welche beim Eintritt in’s Seminar schon über tüchtige Kenntnisse verfügten, während des Cursus gleichen Schritt zu halten. Wenn trotzdem fast Alle in jeder Hinsicht zu einem Dip=
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lom erster Klasse berechtigt waren, so zeugt das am besten für den Fleiβ und den Eifer der Studirenden, wie für die tüchtige und gewissenhafe Arbeit der Lehrer.
Angesichts dieses Mangels an gleicher Vorbildung, der sich in jedem Jahre geltend macht und die Arbeit des Cursus bedeutend erschwert, möchte Ihr Ausschuβ empfehlen, daβ die Anforderungen für die Aufnahmeprüfung erhöht und nur solche Candidaten zum Studium zugelassen werden, die einen hinreichenden Fond von Kenntnissen besitzen, um den während des Cursus gestellten Anforderungen genügen zu können. Bisher muβte häufig bei der Aufnahmeprüfung ein Auge zugedrückt werden; fehlte es doch stets an Turnlehrern. Das ist indessen nicht mehr nöthig, denn voraussichtlich wird sich in den nächsten Jahren eine bedeutend gröβere Anzahl von jungen Leuten diesem Berufe widmen. Die Stellung der Turnlehrer in den Vereinigten Staaten hat sich während der letzten Zeit bedeutend geändert. In vielen gröβeren Städten unseres Landes ist in öffentlichen und anderen Lehranstalten der Turnunterricht eingeführt worden, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann die übrigen Städte sich anschlieβen werden. Dadurch ist jedoch der Beruf des Turnlehrers ein viel lohnender und angesehener geworden, und es darf mit Recht von Jedem, der sich ihm in Zukunf widmen will, erwartet werden, daβ er beim Eintritt in’s Seminar über mehr Wissen und Können verfügt, als bisher bei sehr vielen Applicanten gefunden wurde. Eine bessere Vorkenntniβ oder eine gründliche Vorbereitung für die Aufnahmeprüfung ist dringend nothwendig, wenn die Turnlehrer den höheren Anforderungen, welche ohne Frage in Zukunf an sie gestellt werden, genügen sollen.
Auch in anderer Weise würde dadurch die Arbeit des Directoriums und des Lehrercollegiums bedeutend erleichtert werden. In allen bisherigen Cursen fand man angesichts der ungleichen Leistungen der Seminaristen eine gerechte Beurtheilung äuβerst schwierig, und gab die Frage, wer zu einem Diplom erster oder zweiter Klasse, eventuell zu keinem berechtigt sein sollte, jedesmal Anlaβ zu Debatten. Daβ, wie bisher, bei fast jedem Cursus ein neues Verfahren für die Feststellung eines Procentsatzes zur Berechtigung für ein Diplom eingeschlagen wird, ist wohl kaum angebracht. Einstweilen wünscht das Directorium – und Ihr Ausschuβ unterstützt diesen Wunsch - , das Seminarcomite des Vororts möge einen normalen Procentsatz für die Erreichung von Diplomen festsetzen.
Einen keineswegs günstigen Eindruck machte es, daβ die Seminaristen die Schluβprüfung nur als einen unvermeidlichen Abschluβ des Cursus zu betrachten, ihr sonst aber gar keinen Werth beizulegen schienen. Obgleich sie während des Schuljahres den gröβten Fleiβ und den regsten Eifer zeigten, schienen sie doch Alle anzunehmen, daβ die Theilnahme am Cursus allein sie zu einem Diplom berechtige. Mehrere hatten schon vor Schluβ des Cursus Stellung angenommen; Andere standen mit Vereinen in Unterhaltung, obgleich sie nicht wuβten, ob ihnen ein Diplom zuerkannt werden würde. Das Abschlieβen von Contracten mit Vereinen vor Beendigung des Curses sollte nicht gestattet sein, denn dadurch verliert die Schluβprüfung allen Werth und alle Bedeutung.
Was nun die einzelnen Unterrichtsfächer betrifft, so war die schwierigste Aufgabe im neuen Seminar dem technischen Leiter, Herrn Wm. Fleck, zugefallen. Nachdem die Anstalt 13 Jahre lang unter der trefflichen Leitung des Turnlehrers Geo. Brosius gestanden hatte, war es gewiβ ein Leichtes,
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das von ihm so vorzüglich verwaltete Amt zu übernehmen. Doch schon der erste Cursus zeigte, daβ Herr Fleck dem ihm anvertrauten Posten gewachsen ist. Was ihm an Erfahrung gebrach, ersetzte er reichlich durch pädagogischen Takt, durch regen Eifer und eisernen Fleiβ. Sowohl die Directoren wie seine Schüler hatten nur Worte der höchsten Anerkennung für sein treues Wirken. Die Leistungen der Seminaristen im Turnfach fanden allgemeinen Beifall; nur dürfe ihre Haltung beim Turnen ein wenig strammer und präciser gewesen sein.
Eine Neuerung, die von den verschiedenen Beobachtungsausschüssen schon seit Jahren empfohlen worden war, die Anstellung eines zweiten Turnlehrers, ist in diesem Cursus endlich eingetreten. Früher befanden sich die sämmtlichen Turnfächer in den Händen des technischen Leiters, und wenn noch der Unterricht in turnwissenschaflichen Branchen hinzukam, war es einem Lehrer fast unmöglich, den ganzen Unterrichtsstoff zu bewältigen. Unter der fähigen Leitung des Herrn Georg Vonnegut, welcher den englischen Theil des Turnunterrichts übernommen hatte, bekamen die Seminaristen eine vorzügliche Fertigkeit im englischen Commando und wurden auf diese Weise befähigt, den Unterricht in ihrem späteren Wirkungskreise in deutscher und englischer Sprache gleich erfolgreich zu ertheilen.
Von allen Leistungen, welche Ihr Ausschuβ zu beobachten Gelegenheit hatte, waren die im Sprachfach die besten. Dieses Fach hatte während der früheren Curse stets die Rolle des Stiefkindes gespielt, und die Leistungen in demselben ertrugen selten einen Vergleich mit denen in anderen Fächern. Herr Emmerich verstand es jedoch, den Unterrichtsstoff für die geringe Zeit, welche ihm zu Gebote stand, so vortrefflich einzutheilen und während der Unterrichtsstunden so erfolgreich zu arbeiten, daβ die in der Prüfung gezeigten Resultate die Mitglieder des Ausschusses überraschten. Noch in keinem Cursus beherrschten die Abiturienten beide Sprachen bis zu einem solchen Grade der Vollkommenheit, wie in diesem. Daβ Herr Emmerich auβerdem noch Zeit fand, die Seminaristen in die deutsche Lietteratur einzuführen und sie mit annehmbaren Kenntnissen in diesem Fach zu entlassen, zeigt, daβ das Sprachfach sich in den denkbar besten Händen befand.
Auch der Unterricht im Erziehungsfach wurde von Herrn Emmerich geleitet. Bedeutende Leistungen durfen hier selbstredend nicht erwartet werden, denn aus jungen Leuten, welche mit Ausnahme von Zweien, vor ihrem Eintritt in’s Seminar vom Lehrwesen keine Idee hatten, in 40 Unterrichtsstunden Pädagogen heranzubilden, ist wohl nicht denkbar. Trotzdem gelang es Herrn Emmerich, die Seminaristen mit den Grundzügen der Erziehungslehre vortrefflich bekannt zu machen und sie von der Verantwortlichkeit und Wichtigkeit ihres Berufes zu überzeugen.