Mathematik in der Kunst
1.4 Magische Quadrate
Wir benutzen die Gelegenheit, kurz etwas über magische Quadrate einzustreu- en; denn sie werden uns noch an weiteren Stellen begegnen.
Zunächst die Erklärung:
Definition 1.3 Wir betrachten ein quadratisches Kästchen aus nZeilen undn Spalten, in das die Zahlen1;2; : : : ;n2eingetragen sind. Sind diese so angeordnet, dass die Summe der Zahlen aller Zeilen, Spalten und der beiden Diagonalen stets gleich ist, so nennen wir das Quadrat magisch. Die Zahlnheißt die Ordnung des magischen Quadrates.
Magische Quadrate üben von alters her eine Faszination auf viele Menschen aus. Irgendwie scheint ein Geheimnis in ihnen zu stecken. Mathematiker sind vor allem daran interessiert herauszufinden, wie man sie konstruiert und wieviel verschiedene es dann wohl gibt. In Abb.1.13ist ein einfaches Quadrat der Ordnung 3 dargestellt.
Magische Summe
Vielleicht ist es Ihnen ja auch schon aufgefallen, dass beim magischen Quadrat der Ordnung 3 in allen Zeilen und Spalten als Summe stets 15 herauskommt.
Kann man diese Zahl begründen? Na, mal kurz nachdenken.
Wenn wir alle Zahlen von 1 bis 9 aufsummieren, so haben wir doch quasi alle Zeilen aufsummiert. Die Summe von 1 bis 9 ist
1C2C C9D45;
1.4 Magische Quadrate 21
Abb. 1.13 Magisches Quadrat der Ordnung 3
wie wir leicht ausrechnen können. Das ist also die Summe der drei Zeilen oder auch der drei Spalten. Da diese jeweils gleich sein soll, ist also jede einzelne Summe einer Zeile oder Spalte gleich45=3D15.
Das können wir uns allgemein überlegen, ja, da beginnen Mathematiker- augen zu glänzen, wenn wir uns vornehmen, eine allgemeine Formel zu entwickeln.
Also, wir wollen die Zahlen von 1 bis n2 in ein magisches Quadrat von nZeilen und nSpalten schreiben. Dann gilt dieselbe Überlegung wie oben.
Wir summieren alle Zahlen auf. Dazu brauchen wir jetzt unbedingt die Formel für die Summe solcher Zahlen. Es ist, wie Sie in [9] in Kapitel „Das Anstoßproblem“ nachlesen können:
1C2C Cn2 D n2.n2C1/ 2
Diese Zahl müssen wir jetzt auf n Zeilen (oder Spalten) gleichmäßig verteilen, also einfach durchnteilen:
1
n.1C2C Cn2/D 1
nn2.n2C1/
2 D n.n2C1/
2 D n3Cn 2
Das ist also die Zahl, die wir für jede Zeile, Spalte und Diagonale erreichen müssen.
Satz 1.3 Die magische Summe, also die Summe in jeder Zeile oder Spalte oder Diagonalen eines magischen Quadrates der Ordnungnlautet:
˙D n3Cn 2
Probieren wir erst mal, ob das für unser magisches Quadrat der Ordnung 3 hinkommt, also fürnD3:
33C3
2 D 27C3 2 D15
Bingo, hat geklappt. Unsere Formel hat ihre erste Bewährungsprobe bestan- den.
Wenn wir jetzt ein magisches Quadrat der Ordnung 5 aufbauen wollen, so müssen die einzelnen Zeilen, Spalten oder Diagonalen jeweils die Summe
nD5 H) 53C5
2 D 125C5 2 D65 aufweisen.
Anzahl magischer Quadrate
Wir wollen jetzt fragen, wie viel solcher Quadrate es denn jeweils gibt. Auch das ist eine typisch mathematische Frage:
Wie viel Lösungen gibt es für mein Problem?
• Für die Ordnung 1 gibt es genau ein solches Quadrat, na klar.
• Für die Ordnung 2 werden Sie kein solches Quadrat aufstellen können, wie Sie durch einen Versuch leicht feststellen können.
• Für die Ordnung 3 gibt es, wenn wir Spiegelungen und Drehungen als nicht verschieden ansehen, genau eins, also z. B. das in Abb.1.13.
• Für die Ordnung 4 gibt es 880 wesentlich verschiedene.
• Für die Ordnung 5 gibt es 275.305.224 wesentlich verschiedene magische Quadrate.
Weitere Aussagen fehlen in der Literatur. Vielleicht zählen Sie mal selbst, wie viel es von der Ordnung 6 gibt. Kleiner Scherz!
1.4 Magische Quadrate 23
Ein Konstruktionsprinzip
In Abb.1.14sehen Sie ein magisches Quadrat der Ordnung 7. An diesem wol- len wir eine Methode zur Konstruktion solcher Quadrate zeigen. Allerdings geht sie nur für magische Quadrate von ungerader Ordnung. Schauen Sie sich die Abb.1.15an. Zur Verdeutlichung haben wir Schrägzeilen hinzugefügt.
Wir beginnen in der rechten Spalte genau mit dem mittleren Feld und tragen dort die 1 ein. Die dortige Schrägzeile würde uns aus dem Quadrat herausführen, daher wandern wir nach links in der Zeile und beginnen dort mit der 2 und gehen weiter in der Schrägzeile mit 3 und 4. Wieder rutschen wir aus dem Quadrat heraus; daher gehen wir in der Spalte in die obere erste Zeile und fahren dort fort mit 5, 6 und 7. Dann stoßen wir auf die 1. Wir sind nett und weichen aus, indem wir einen Schritt nach links machen. So geht das weiter. Typisch ist der Punkt, dass wir dann die Diagonale von links oben nach rechts unten durchlaufen. Unten laufen wir dann allerdings so aus dem Quadrat heraus, dass wir weder nach links noch nach oben einen neuen Platz im Quadrat finden. Daher gehen wir wieder freundlich einen Schritt nach links, tragen dort die 29 ein und können das Quadrat vollenden. Es ist magisch mit der Zeilensumme
Abb. 1.14 Magisches Quadrat der Ordnung 7
Abb. 1.15 Magisches Quadrat der Ordnung 7 mit Schrägzeilen
nD7 H) 73C7
2 D 343C7
2 D175: Versuch einer Begründung
Diese Vorgehensweise mutet im ersten Moment ziemlich willkürlich an. Kann man überhaupt erwarten, dass auf diese Weise am Ende alle Felder mit einer Zahl ausgefüllt sind? Durchläuft man mit diesem Schema also wirklich alle Felder?
Nun, man könnte und müsste jetzt beginnen, ein Schema für eine beliebige Zahln2Naufzuschreiben. Um da nicht durcheinanderzugeraten, empfiehlt es sich, mit ein paar Beispielen anzufangen. Wir haben ja schon eines der Ordnung 3 und eines der Ordnung 7 gezeigt, vielleicht basteln Sie selbst noch eines der Ordnung 9 auf einem Blatt Papier. Beobachten Sie bitte dabei genau, wie man vorgehen muss. Es gibt regelmäßige Abläufe. Tatsächlich läuft man immer die ganze Diagonale von links oben nach rechts hintereinander bis unten durch. Hier müsste man sich jetzt darüber klar werden, dass durch das Hin- und Herspringen in den jeweiligen Zeilen und Spalten am Ende wirklich alle Felder erreicht worden sind. Oder, gestärkt durch die Beispiele,
1.4 Magische Quadrate 25
versucht man sich an einem allgemeinen Schema für ein beliebiges n 2 N.
Mathematiker neigen in solchen Fällen zu der Aussage, dass das trivial wird.
Das klingt aber immer etwas hochnäsig, und daher vermeide ich dieses Wort.
Einen kleinen Punkt können wir aber nachweisen. Wir können mit wenig Aufwand zeigen, dass die Summe der Diagonalelemente von links oben nach rechts unten genau unserer magischen Zahl entspricht.
Bei der ungeraden Ordnung gibt es genau ein Mittelfeld im ganzen Schema.
Welche Zahl steht dort? Es ist genau die mittlere Zahl zwischen 1 undn2. Bei dem Quadrat der Ordnung 7 werden72D 49Zahlen in das Schema verteilt.
Die mittlere Zahl ist 25. Vor ihr sind 24 Zahlen von 1 bis 24, und hinter ihr kommen wieder genau 24 Zahlen von 26 bis 49. Und diese Zahl 25 steht genau in der Mitte. Das ist bei unserem Schema immer so.
Jetzt allgemein nachgedacht: Wie lautet die mittlere Zahl von den Zahlen von 1 bisn2? Sie lautet:
n2C1 2
Insgesamt stehen in der DiagonalennZahlen so wie in jeder Zeile und jeder Spalte. Ohne die Mittelzahl stehen dort nochn1Zahlen. Die Hälfte davon steht in der Diagonalen oberhalb, die andere Hälfte unterhalb. Damit steht in der Diagonalen in der Mitte n2C12 , rechts oberhalb n2C12 1, darübern2C12 2 usw. bis ganz oben links, dort steht n2C21n21. Das muss man auf der Zunge zergehen lassen. Ganz genau hinschauen, dann sehen Sie es.
Jetzt analog zu den Zahlen in der unteren Halbdiagonalen. Wir fangen wegen der Übersicht wieder mit der Mitte an, alson2C21, dann kommt n2C21C 1, dann n2C21 C2usw. bis n2C21C n21. Auch hier nur genau hinschauen und dann vielleicht noch mit dem Quadrat der Ordnung 7 vergleichen.
Diese Zahlen in der Diagonalen n2C1
2 n1
„ƒ‚…2 links oben
C Cn2C1
2 1C n2C1
„ƒ‚…2 Mittelzahl
Cn2C1 2
C1C C n2C1
2 Cn1
„ƒ‚…2 unten rechts
können wir jetzt leicht aufsummieren. Man muss nur genau hinschauen. Es sind ja insgesamtnZahlen. In jeder Zahl steckt der additive Term n2C21, also haben wir schon mal
nn2C1 2 :
Die zusätzlichen Terme stehen doppelt da, einmal mitCund dann genau mit . Die heben sich also einfach weg, so dass wir als Summe genau den gerade aufgeschriebenen Wert erhalten:
˙Dnn2C1 2
Das ist aber doch die magische Summe von S.22.
Na gut, das war nur mal die Diagonale. Sie können aber vielleicht jetzt ahnen, wie man auch die Summe aller Zeilen und Spalten ausrechnen könnte.
Das wird vermutlich eine Riesenschreibarbeit ohne weitere Erkenntnis; daher mag es bei diesen Andeutungen bleiben.
Übrigens kenne ich diese Methode seit meiner Schulzeit aus der sechsten oder siebten Klasse. Ich weiß leider nicht mehr, wer der Überbringer war, aber seit damals hat mich diese Methode fasziniert, dem Unbekannten sei Dank.
Für ein gerades n scheitern wir mit dieser Methode schon am Anfang:
Es gibt kein mittleres Feld in der rechten Spalte. Im Internet findet man aber Methoden zur Erzeugung von magischen Quadraten auch für gerade Ordnungen.
Eine Anwendung beim Lotto
Das in Abb.1.14 dargestellte magische Quadrat der Ordnung 7 kann man gut benutzen, wenn man Lotto 6 aus 49 spielen will. Bei diesem Spiel sollte man ja taktisch so vorgehen, dass man möglichst Zahlen tippt, die niemand sonst getippt hat. Wenn man nämlich dann gewinnt, so gewinnt man allein und hat das ganze Geld für sich. Am 18. Juni 1977 wurden beim deutschen Lotto tatsächlich genau dieselben Zahlen gezogen wie eine Woche zuvor in den Niederlanden. 205 deutsche Lottospieler hatten diese Zahlen gewählt und erhielten jeder als Gewinn 30.737,80 DM, also ca 15.000 Euro, wohlgemerkt für sechs Richtige. Das gab bestimmt ein Knurren.
Wie macht man es also, Zahlen zu finden, die niemand sonst nimmt? Es gibt ja genug Kombinationen, ca. 14 Millionen. Nun, schreiben Sie sich das magische Quadratder Ordnung 7 auf ein Blatt Papier und werfen Sie mit Wurfpfeilen darauf. Wenn Sie nicht gerade Experte im Dart sind, werden Sie so sechs zufällige Zahlen finden. Wir haben das seinerzeit im Studio bei